Autor: Oppa Ömmes

  • Mein erstes Auto

    Mein erstes Auto

    Mein erstes Auto hatte ich gekauft, obwohl ich noch keinen Führerschein hatte. Der fast 10 Jahre alte VW Käfer musste noch solange warten, bis ich 2 Monate endlich den „Lappen“ hatte. Doch dazu erzähle ich noch später mehr. Zunächst zur damaligen Autotechnik.

    Die technischen Daten lesen sich aus heutiger Sicht abenteuerlich: 4-Zylinder-Viertakt-Boxer-Vergaser-Motor, Hubraum 1.192 ccm, Leistung: sagenhafte 34 PS bei 3.600 U/min, Höchstgeschwindigkeit: immerhin 115 km/h, Beschleunigung: 32,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h, Wendekreis: 11 Meter, Verbrauch: ca. 10 l/100 km, Tankinhalt: 40 l, Benzinhahn mit 5 Liter Reserve-Umschaltung, zulässiges Gesamtgewicht: 1.120 kg, Leergewicht: 740 kg, Reifengröße: 5.60-15, hydraulische Trommelbremsen, regelbare Heizung, synchronisiertes Vierganggetriebe, Fahrertür abschließbar, Haltegriff über Handschuhfach, Scheibenwaschanlage pneumatisch, Blinker vorne und hinten, Batterie: 6 V 66 Ah, Wartung: alle 2.500 km Schmierdienst und alle 5.000 km Ölwechsel.

    Doch nun ein paar Details zum Käfer, Baujahr 1961, den ich »Mokelchen« nannte. Zum Einsteigen musste man die Fahrertür aufschließen, den Schlüssel aus dem Schloss ziehen und dann den Türknopf drücken, um die Fahrertür zu öffnen. Die Beifahrertür hatte kein Schloss und musste von innen ver- oder entriegelt werden.

    Das Armaturenbrett aus „in Wagenfarbe lackiertem Blech“ war spartanisch. Es gab einen Tacho (bis 140 km/h) mit Kilometerzähler, einen Lichtschalter, einen Scheibenwischerschalter, einen Aschenbecher und einen Haltegriff über dem Handschuhfach. Die Stelle, an der das Radio eingebaut werden konnte, war mit einer Blechblende verschlossen. Wenn man den Lichtschalter halb herauszog, ging das Standlicht an. Wurde der Schalter ganz herausgezogen, war das Abblend- oder Fernlicht eingeschaltet. Zum Umschalten von Abblendlicht auf Fernlicht und umgekehrt befand sich im Fußraum links neben dem Kupplungspedal ein Fußschalter.

    Was fehlte, war eine Tankanzeige. Dafür gab es in der Mitte des Fußraums einen Benzinhahn, den man bei leerem Tank auf „Reserve“ stellen konnte. Dann hatte man noch 5 Liter Benzin, bis der Tank ganz leer war, und musste so schnell als möglich eine Tankstelle aufsuchen. Der Benzinverbrauch lag bei ca. 10 l/100 km, was bei einem 40-Liter-Tank für fast 400 km reichte. Der 4-Zylinder-Boxermotor (1.192 ccm und 34 PS bei 3.600 U/min) beschleunigte das Auto (auf der noch nicht überfüllten Autobahn) in sagenhaften 32,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Bei 115 km/h Höchstgeschwindigkeit war dann nach einer gefühlten Ewigkeit Schluss. Aber dann konnte man stundenlang mit Höchstgeschwindigkeit fahren, außer wenn es bergauf ging. Da wurde der Käfer trotz durchgetretenem Gaspedal immer langsamer und man war froh, wenn man noch 80 km/h schaffte.

    Eine weitere Besonderheit war die pneumatische Scheibenwaschanlage. Das Waschwasser wurde mit dem Luftdruck des Reserverads aus dem Wassertank zu den Spritzdüsen gepumpt. Dazu musste ein Luftschlauch vom Ventil des Reserverads an den Wasserbehälter angeschlossen werden. Ein Druck auf den Knopf des Scheibenwischerschalters betätigte ein dort befindliches Ventil, das durch den Überdruck im Wasserbehälter das Wasser zu den Düsen fließen ließ. Alle 2.500 km war der Schmierdienst (u.a. mussten die Schmiernippel der Vorderachse mit neuem Fett gefüllt werden) in der Werkstatt oder an der Tankstelle fällig und alle 5.000 km der Ölwechsel. Irgendwann später habe ich mir 2 Dosen Autolack und Pinsel gekauft und das ganze Auto (bis auf die Räder, Scheiben und Chromteile) mit dem Pinsel knallrot gestrichen.

  • Wehrdienst

    Wehrdienst

    Als meine Lehre erfolgreich abgeschlossen war, habe ich noch ein Jahr in meinem Lehrberuf gearbeitet und berufliche Erfahrungen sammeln dürfen. Danach musste ich 1½ Jahre als Bürger in Uniform dem Staat dienen. Sowas nannte sich Wehrdienst. Zunächst als Kanonier, später als Gefreiter und dann als Hauptgefreiter erfüllte ich meine Bürgerpflicht beim »Bund« (wie man damals zu sagen pflegte) in einer rund 50 km entfernten Raketen-Artillerie-Kaserne.

  • Die Lehre und der Beruf

    Die Lehre und der Beruf

    Es war eine Zeit, in der es genügte, eine einzige Bewerbung zu schreiben, um einer der 10 Auszubildenden zu sein, die unter 60 Bewerbern ausgewählt wurden. So wurde ich Mess- und Regelmechaniker und machte später noch meinen Industriemeister Metall und Elektrotechnik an der Abendschule.

    Die 3½-jährige Lehre war der Beginn einer fast 45-jährigen Berufslaufbahn (unterbrochen nur durch 1½ Jahre Wehrdienst bei der Bundeswehr) bei ein und derselben Firma.

    Im Laufe meines Berufslebens durfte ich die technische Entwicklung von der Elektromechanik über die Elektronik bis hin zur digitalen Informationstechnik kennenlernen, erleben und ausprobieren als Teil des Teams, das die Einführung der EDV-gestützten Personalverwaltung und CAD/CAE-Planung im Ingenieurwesen vorantrieb.

  • Gemeinschafts-Volksschule

    Gemeinschafts-Volksschule

    Ich hatte das Glück, nach dem Umzug meiner Eltern vom Geburtsort in die Nachbarstadt auf eine Gemeinschaftsschule gehen zu können. Gemeinschaft bedeutete in diesem Fall, dass dort Evangelische und Katholische, Jungen und Mädchen gemeinsam lernten. Das war 1961 nicht unbedingt üblich. Wir waren 8 Jungen und 16 Mädchen in der Klasse. So etwas prägt.

    Die Klassenlehrerin war Fräulein Oberhoff (damals wurden alle unverheirateten Frauen noch mit „Fräulein“ angesprochen), eine mehr freundliche als strenge Lehrerin, ganz anders als in den ersten Schuljahren. Die Lehrer waren, im Nachhinein betrachtet, sehr gute Pädagogen. Sie vermittelten uns das nötige Grundwissen, die Stärkung der Persönlichkeit und die Selbständigkeit mit einer ungezwungenen Fröhlichkeit.

    1962 bekam ich mein erstes Fahrrad – ein „Rabeneick“ mit einer 3-Gang Torpedo-Schaltung. Im letzten Schuljahr haben wir jeden Monat eine Klassenfahrt gemacht, nichts Großes, meistens nur eine Radtour. Das hat die Klassengemeinschaft sehr gestärkt. Die Abschlussfahrt ging für 3 Tage nach Burg Altena in die erste Jugendherberge der Welt, die von Richard Schirrmann, dem Namensgeber der Schule, gegründet wurde.

    Im letzten Schuljahr war ich auch als Schülerlotse im Einsatz, um die Schüler der unteren Klassen über den Zebrastreifen an der stark befahrenen Straße vor der Schule zu leiten.

  • Einschulung

    Einschulung

    Weil ich so klein war, wurde ich erst mit fast 7 Jahren eingeschult. Man muss man sich das einmal vorstellen. Wir waren 54 Kinder in der 1. Klasse, die alle von Fräulein Backhaus im Zaum gehalten wurden. Da herrschte Zucht und Ordnung.

    Ein Schulwechsel zum Gymnasium nach dem 4. Schuljahr scheiterte am fehlenden Geld der Eltern, denn alle Schulmaterialien mussten damals von den Eltern selbst bezahlt werden. Und allein der Atlas kostete schon über 50,- DM.

    Bis zum Beginn des 5. Schuljahres besuchte ich die evangelische Volksschule im Ort. Dann zogen meine Eltern in die nächstgrößere Stadt um. Es war eine neugebaute Werkswohnung der im neuen Wohnort chemischen Fabrik, in der mein Vater damals arbeitete.

  • Kinderlandverschickung

    Kinderlandverschickung

    An meine Kindheit kann ich mich nur bruchstückhaft erinnern. Die Erinnerungen daran stammen meist aus späteren Gesprächen in der Familie. Einige Begebenheiten aus der Kindheit sind aber haften geblieben.

    Woran ich mich erinnere? Süßigkeiten gab es kaum. Stattdessen gab es wegen der Unterernährung täglich einen Teelöffel Lebertran. Das Zeug schmeckte ekelhaft. Die einzige Süßigkeit bestand aus einer Scheibe Brot, über die Wasser geträufelt und Zucker gestreut wurde. Das Wasser diente dazu, dass der Zucker nicht vom Brot fiel. Dann wurde die Scheibe Brot zusammengeklappt.

    Weil ich so ein schmächtiges Kerlchen war, wurde ich auch vom Hausarzt für 6 Wochen zur Kinderlandverschickung nach Borkum geschickt. Das war eine schlimme Zeit für mich, ganz allein ohne meine Eltern.

  • Schrankenwärterin

    Schrankenwärterin

    1953 kam ich in den Kindergarten. Zum ersten Mal war ich für ein paar Stunden von meiner Mutter getrennt. Aber meine Mutter konnte in dieser Zeit in Ruhe ihrer Arbeit nachgehen. Sie war Schrankenwärterin, ein Beruf, den heute kaum noch jemand kennt. Meine Mutti – wie ich sie immer nannte – fuhr dann zweimal am Vormittag mit dem Fahrrad zur einer Schrankenanlage an der nahegelegenen Bundesstraße. Dort musste sie die Schranken von Hand herunterkurbeln und wenn der Zug durchgefahren war, die Schranken wieder hochkurbeln. Mein Vater hatte währenddessen einen Bürojob im Bahnhof, in dem wir auch wohnten. Nach dem Schrankendienst fuhr meine Mutter wieder mit dem Fahrrad nach Hause. Das war manchmal ganz schön anstrengend.

    Während mein Vater dort im Büro arbeitete, saß ich ab und zu im Kinderwagen vor dem Büro und manchmal nahm mich der Lokführer samt Kinderwagen mit in den Führerstand der Lok. Die Lok fuhr dann genau zu der Schranke, an der meine Mutter ihren Dienst versah, hielt an und der Lokführer lud mich samt Kinderwagen an der Schranke wieder aus. So blieb meiner Mutter nichts anderes übrig, als Fahrrad und Kinderwagen zu Fuß nach Hause zu schieben.

  • Der „Katholische Bahnhof“

    Der „Katholische Bahnhof“

    Mein Elternhaus war der älteste Bahnhof in dem kleinen niederrheinischen Ort. Er wurde 1882 feierlich eröffnet und verband die evangelische Stadt mit der katholischen Nachbarstadt. An Fronleichnam fuhren die katholischen Bürger mit dem Zug zur Prozession in die Nachbarstadt. Deshalb hieß der Bahnhof im Volksmund nur noch der „Katholische Bahnhof“.

    Zunächst gab es, damals das Wichtigste, eine Küche und darin einen alten Kohleherd. Ein Herd mit umlaufender verchromter „Handtuchtrockenstange“, gusseiserner Platte und emailliertem Korpus mit ebenfalls emaillierter Backofentür und anderen Klappen. Einen Kühlschrank gab es noch nicht. In die Küche gelangte man durch das Wohnzimmer. Ein Raum mit rotbraun gestrichenen Holzdielen, 3,80 m hohen, gekälkten Wänden und einem großen, einfach verglasten Fenster. In einer Ecke stand ein kleiner Kanonenofen, der im Winter kaum Wärme spendete. Auf den Holzdielen in der Mitte des Raumes lag ein Teppich. Ach was sage ich Teppich, es war lackierte Dachpappe, Stragula genannt. Ein Sofa, ein Tisch, zwei Stühle und ein Schrank vervollständigten das Zimmer. Im Flur, von dem aus man in die Wohnung kam, stand ein Schrank. Es war noch ein solcher Schrank ohne Schrauben, Nägel oder Möbelbeschläge, nur die Holzkonstruktion hielt ihn zusammen.

    Oben – unterm Dach juchhe – waren zwei Schlafzimmer, eine rechts und eine links vom Dachboden. In dem einen Schlafzimmer schlief meine Schwester, die den Krieg überlebt hatte, in der anderen meine Eltern und ich. Es handelte sich mehr um Kammern als um Zimmer, so wie man in der damaligen Zeit in aller Eile einen Dachboden ausgebaut hat. Im Winter war es so kalt, dass sich an den einfach verglasten Fensterscheiben Eisblumen bildeten. Ein kleiner Kohleofen brachte die Temperaturen im Winter nachts nicht wirklich über null Grad. So manche Winternacht habe ich mit Pudelmütze und Handschuhen geschlafen.

    Samstags war immer Badetag. Die Waschküche im Anbau des Bahnhofs war nur über den Hof erreichbar. Ein Waschbottich, eine verzinkte eiserne Badewanne und Kohle oder Holz zum Heizen – mehr brauchte man nicht. Zuerst musste der Bottich mit Wasser gefüllt werden. Dann wurde das Wasser mit einem Feuer erhitzt und mit einem Eimer in die Zinkbadewanne geschüttet. Und lief es in dieser Reihenfolge ab: Zuerst durfte die Mutter baden, dann der Vater und zum Schluss die Kinder. Ich war also immer der Letzte, denn vorher war meine Schwester dran. Wer das einmal erlebt hat, weiß ein heutiges, modernes Badezimmer zu schätzen. Aber als Kind kannte ich es nicht anders.

  • Ein kleiner schmächtiger Junge erblickt das Licht der Welt

    Ein kleiner schmächtiger Junge erblickt das Licht der Welt

    Ende der 1940er Jahre in einer kleinen Stadt am linken Niederrhein. Der Zweite Weltkrieg ist seit einigen Jahren vorbei, die Trümmer der zerbombten Häuser sind weitgehend beseitigt und das „normale“ Leben in Friedenszeiten beginnt sich allmählich zu festigen. Flüchtlinge und Einheimische mussten sich irgendwie mit dem knappen Wohnraum arrangieren.

    Das mit dem Wohnraum ist so eine Sache. Mein Elternhaus war ein Güterbahnhof mit angeschlossener Gaststätte. Ein Altbau „aus der Vorkriegszeit“ mit 3,80 m hohen Decken, ein Wohnzimmer, eine kleine Küche mit Vorratskammer und Schlafräume unterm Dach. Außerdem gab es eine Waschküche, die nur über den Hof zu erreichen war. Zur Toilette musste man jeweils über einen Flur und durch die Küche der Gaststätte gehen. Wie gesagt, der Wohnraum war knapp und man musste mit dem auskommen, was man als Flüchtling zugewiesen bekam. So ging es auch meinen Eltern.

    Meine Mutter hat den langen Weg von Ostpreußen an den linken Niederrhein überlebt. Leider musste sie ihre älteste Tochter auf dem langen Weg zurücklassen, sie starb schlichtweg an Hunger. Immer mehr Männer kamen aus der Kriegsgefangenschaft nach Hause oder dorthin, wo es die restliche Familie verschlagen hat. So auch mein „alter Herr“ – mein Vater. Aus dieser Wiedersehensfreude heraus erblickte in den Resten des Joseph-Stifts an einem Sonntagmorgen, ein kleiner, schmächtiger Junge das Licht der Welt. Das Joseph-Stift war eines von zwei Krankenhäusern im Ort. Meine Mutter wäre bei der Geburt fast gestorben, aber sie ist eine starke Frau und hat auch das überlebt.

    In der Geburtsurkunde ist zu lesen, dass der Weichenwärter Ewald und seine Frau, die Hausfrau Gertrud, einen Sohn bekommen haben.